Wenn Infektionskrankheiten epidemisch auftreten, dabei Landesgrenzen überschreiten und sich weltweit verbreiten, spricht man von einer Pandemie. Eine ganz schreckliche und viele Jahrhunderte lang aktive Pandemie, die im Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert Millionen Menschen in vielen Ländern dahinraffte, war die Pest. Bakterien und Viren waren damals noch nicht entdeckt und deshalb war unbekannt, dass ein Bakterium – in diesem Fall Yersinia pestis – für diese tödliche Krankheit verantwortlich ist.
Dass Pestkranke ansteckend sind, hatte man jedoch früh bemerkt, deshalb versuchte man, durch frühzeitige Isolation Pestkranker die Ausbreitung der Pest einzudämmen. So wurden Pestkranke vor die Tore der Stadt verbannt oder – etwas humaner – in sog. Pesthäuser bis zum Tod in Quarantäne geschickt. Heute ist die Pest besiegt.
Kolumbus und seine Besatzung brachten 1492 bei der Entdeckung Amerikas scheinbar harmlose Viren, die in Europa für Erkältungskrankheiten verantwortlich waren, mit in den neu entdeckten Erdteil. Da die Indianer mit diesen Viren bis dahin noch nie in Kontakt gekommen waren und deshalb keine körpereigene Abwehr gegen sie hatten, war eine Ansteckung eine tödliche Gefahr, viele starben an deren Folgen.
Klar ist: Krankheitserreger, Bakterien und vor allem Viren, können nicht selber „fliegen“. Um (auch kleine) Distanzen zu überwinden, brauchen sie ein Vehikel, mit dem sie transportiert werden. Dies kann eine Aerosolwolke von einem infizierten Menschen sein oder Kontakte bei Reisen, beim Handel und Austausch von Waren per Fahrzeug, Bahn, Flugzeug oder Schiff. Als Transporteure von gefährlichen Krankheitserregern kommen aber auch Stechfliegen (z.B. Malaria, Gelbfieber) oder auch Fledermäuse in Frage (z.B. Ebola- und Corona-Viren).
Das größte Massaker des 20. Jahrhunderts war die Grippepandemie vom März 1918 bis März 1920. Fünfzig bis hundert Millionen Menschen sollen weltweit der sog. Spanischen Grippe zum Opfer gefallen sein. Wahrscheinlich ist die Zahl der Grippeopfer größer als die Kriegsopfer des 1. und 2. Weltkriegs zusammen. Trotz dieser hohen Opferzahlen hat sich dieses fürchterliche Ereignis nicht in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt.
Fotos von japanischen Schulmädchen während der Spanischen Grippe zeigen, dass schon damals Atemschutzmasken getragen wurden, wie sie heute verpflichtend sind. Es ist deshalb völlig unverständlich, wieso bei uns das Tragen von Masken zu Beginn der Pandemie als unwirksame Maßnahme verworfen wurde, obwohl die Japaner uns schon vor 100 Jahren diese Schutzmaßnahme vorexerzierten!
Nichts gelernt? Doch! Kontaktbeschränkungen und Quarantäne (=kein Vehikel), Mund-Nasenbedeckung (=Virenfilter), Hände waschen und Lüften (=Viruszahl reduzieren) sind probate und einfache Mittel, die Pandemie einzudämmen! Natürlich müssen wir noch den uns jetzt zur Verfügung stehenden Fortschritt nutzen – nämlich die Impfung – und damit das körpereigene Immunsystem aktivieren und uns so schützen.
Heutzutage können Erreger mit Hilfe von Menschen und Waren binnen Stunden von Kontinent zu Kontinent gelangen, und die Freiheiten, die sich manche Menschen nehmen, nutzt das Virus gnadenlos aus. Seine Mutationsfähigkeit ermöglicht es ihm sogar, in einem Katz-und-Maus-Spiel unsere neu entwickelten Impfstoffe u. U. sehr rasch weniger wirksam oder gar unwirksam werden zu lassen.
Zwei Jahre hat die Spanische Grippe 1918 die Welt in Angst und Schrecken versetzt. Wir können inzwischen zum Mond und Mars fliegen, aber ob wir die aktuelle Pandemie so schnell besiegen werden wie vor 100 Jahren, ist offen. Es liegt allein an unserem Verhalten.
Lesenswert: Laura Spinney: 1918 Die Welt im Fieber, bpb-Schriftenreihe 10208